Michael Voigt , December 8, 2022
Die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen hat letzte Woche bekannt gegeben, dass die Landesregierung den 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht ratifizieren wird. Dies teilte das Büro des erst im Juni gewählten Ministerpräsidenten Armin Laschet von der CDU in einem Schreiben an Landtagspräsident André Kuper mit. Vor den diesjährigen Wahlen und der neuen schwarz-gelben Koalition hatte NWR unter rot-grün dem Vertrag noch zugestimmt.
NRW folgt damit dem Vorbild Schleswig-Holsteins, das bereits im Juni angekündigt hatte, den Vertrag nicht weiter mittragen zu werden. Er war im März von den 16 deutschen Ministerpräsidenten in Berlin unterzeichnet worden. Final in Kraft treten kann der 2. Glücksspieländerungsvertrag jedoch nur, wenn alle 16 Bundesländer ihn auch per Einbringung eines Ratifizierungsgesetzes in ihren Landtagen annehmen.
Der 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrag sieht unter anderem die Vergabe von 20 Sportwettenlizenzen vor, ignoriert jedoch weiterhin die rechtlich komplizierte Lage von Online Casinos und Online Poker. Seit seiner Unterzeichnung im März ist er Zielscheibe von Kritik , auch seitens der EU, die in der limitierten Lizenzzahl einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit sieht.
Eine Existenzgrundlage für Glücksspielanbieter schaffen
Dr. Damir Böhm, Fachanwalt für Verwaltungs- und Glücksspielrecht aus Neuss, kommentierte die Neuigkeiten jetzt in einem Rundschreiben. Zusammen mit seinem Kanzleipartner Tim Hilbert ist er juristischer Berater des Fachverbandes Spielhallen (FSH). Im jüngsten FSH-Newsletter begrüßte er die Entscheidung NRWs und erklärte das weitere Vorgehen. Nordrhein-Westfalen ginge es dabei um dreierlei:
- Stabilität und effektiver Vollzug
- Spieler- und Jugendschutz
- Sicherheit und Existenzgrundlage für Glücksspielunternehmer
Im Wortlaut liest sich diese Passage im Schreiben an Landtagspräsident Kuper so:
„Nordrhein-Westfalen will sich nun bemühen, in einer neuen Gesetzesinitiative alle Länder dazu zu gewinnen, eine rechtlich stabile Grundlage zu schaffen. Dadurch sollen der Spieler- und Jugendschutz und der Verwaltungsvollzug effektiv umgesetzt werden können. Zugleich soll das Gesetz weiterentwickelt und auch eine sichere Grundlage für die Tätigkeit von Glücksspielanbietern geschaffen werden.“
Möglichkeit der Ausweitung auf Online Casinos
Dr. Damir Böhm stellt in seinem Kommentar auch die Einbeziehung von Online Casinos als Möglichkeit in Aussicht, sollte NRW an seinem neuen Kurs festhalten. Bisher wurden diese von Politik und Parlamenten schändlich vernachlässigt. Gleichzeitig werden die Rufe nach einer Regulierung für Online Casinos und Online Poker seit Jahren lauter und Parteien wie die FDP setzen sich vor allem in Schleswig-Holstein für eine Öffnung des deutschen Marktes ein. Dr. Böhm erklärte dazu:
„Es scheint auch möglich, dass sich Nordrhein-Westfalen für eine Erweiterung des Regelungsrahmens beispielsweise für Online-Casinos einsetzen könnte, wenn die Fortentwicklung der Glücksspielregulierung ernst und effektiv erfolgen soll.“
Auch bei der Umsetzung des 1. Glücksspielstaatsvertrags aus dem Jahre 2012 hatte NRW sich bereits auf qualitative Kriterien bei der Auswahl erlaubter Spielhallen im Land konzentriert. Der Vertrag schreibt einen in jedem Bundesland anders ausgelegten Mindestabstand von einzelnen Spielhallen zueinander und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor. Während an Rhein und Ruhr Qualitätsmaßstäbe gelten, hatte Niedersachsen beispielsweise bis zum finalen Verbot noch per heftig umstrittenem Losverfahren entschieden.
NRW geht „Weg der Vernunft“
Rechtsanwalt und Glücksspielspezialist Dr. Böhm bringt in seinem Statement klar zum Ausdruck, dass er eine Neugestaltung, Ausweitung und Optimierung des im März unterzeichneten Vertrags mehr als begrüßen würde. Schleswig-Holstein gilt seit jeher als Vorreiter auf dem Gebiet der effektiven und vor allem rechtssicheren Glücksspielgesetzgebung, aber nun habe auch NRW einen realitätsnahen Ansatz gefunden und sei auf dem richtigen Weg:
„Die Regierung des Landes hat offensichtlich verstanden, dass nur eine ordentliche Regulierung unter Beachtung der tatsächlichen Verhältnisse den vorhandenen Schwarzmarkt beseitigen und somit die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages fördern kann. Es bleibt abzuwarten, ob die anderen Länder diesen Weg der Vernunft mitgehen werden.“
Nun steht eine neue Phase politischer Diskussions- und Entscheidungsprozesse an, in deren Verlauf zu hoffen bleibt, dass Deutschland eine wasserdichte und vor allem umfassende und faire Regulierung für alle Zweige der Branche auf den Weg bringt.
Zeitverschwendung in Niedersachen
Trotz der klaren Signale aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gibt es immer noch Länder, die den Vertrag in ihren Landtagen diskutieren. Christian Grascha, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion in Niedersachsen, fand dafür klare Worte:
„Dass sich der Niedersächsische Landtag damit noch beschäftigt, ist Zeitverschwendung und ein reines Schauspiel.“
Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD hatte den 2. Glücksspieländerungsvertrag jüngst in den Landtag eingebracht und dort zur Abstimmung freigeben, obwohl schon seit geraumer Zeit klar ist, dass er in seiner jetzigen Form kaum in Kraft treten wird.
FDP fordert Gleichstellung von Online Casinos und Sportwetten
Die niedersächsische FDP fordert unter Geschäftsführer Grascha eine „grundlegende und europarechtskonforme Neuaufstellung des Glücksspielrechts in Deutschland“:
„Deutschland braucht endlich eine vernünftige Regulierung des Glücksspiels. Der Online-Schwarzmarkt wächst von Jahr zu Jahr mit zweistelligen Raten. Mit einer Regulierung kann wirksam Suchtprävention und ein besserer Spielerschutz gewährleistet werden. Außerdem kann der Staat nach Expertenschätzung mit ca. 1,3 Mrd. Euro Steuermehreinnahmen rechnen. Wir fordern deshalb den Ministerpräsidenten auf, endlich mit seinen Länderkollegen tätig zu werden, anstatt den Landtag mit unsinnigen Gesetzen zu beschäftigen.“
Die FDP schlägt vor, unter einer solchen regulierenden Gesetzgebung Online Casinos mit Sportwetten im Internet gleichzustellen und endlich offiziell zu lizenzieren. Bei geschätzten 1, 3 Milliarden Steuereinnahmen, einem besser kontrollierbaren Spielerschutz und schlussendlicher Rechtssicherheit für Spieler und Anbieter wäre dies mit Sicherheit nicht die schlechteste Lösung.